Vermutlich hätte ich mich in einem anderen Zustand auch ganz genau daran erinnert, was ich ihm oder jemandem, der ihm wichtig war, angetan hatte, falls er mich nur nicht einfach aus Prinzip nicht mochte, aber dazu war ich gerade einfach nicht in der Lage. "Du hast keine Ahnung, wie lange ich dich schon alleine, nur für mich, haben wollte." Erschöpft und mit großen Augen starrte ich ihn gebannt an, während er ganz entspannt die Tür zu meiner Zelle öffnete und ich einfach nur hoffte, dass das alles bald vorbei war. "Aber jetzt wo ich dich so sehe, bist du doch einfach nur erbärmlich." Er hatte recht. Leider hatte er absolut recht. Ich wollte mich sehen als einen unabhängigen freien Mann und dachte doch in Momenten wie diesen nur an meine Loyalitäten. Ich redete groß von meinen Fähigkeiten und doch war ich nun hier gelandet. Wie konnte ich mich so groß und stark geben und doch absolut nichts Besonderes sein? Meine Gedanken wurden zum Glück unterbrochen, als ich etwas hörte, was sich wirklich verdächtig nach meinem Namen anhörte. Seth?, flüsterte ich ungläubig zu mir selbst, als wollte ich mir einreden, dass das doch alles nur eine Einbildung war. Se-! Bevor ich noch mit meiner letzten Kraft herumbrüllen konnte, würde mir plötzlich grob eine Hand vor meinen Mund gepresst und eine andere in meine Kehle gedrückt, welche jedes Geräusch, das ich noch in mir gehabt hätte, verstummen ließen. "Wachen!" Trotzdem versuchte ich verzweifelt mich zu wehren, was natürlich nicht möglich war, während ich noch weiter versuchte Seths Namen zu schreien. Wieder stiegen mir die Tränen in die Augen, dieses Mal allerdings, weil mir langsam aber sicher die Luft ausging. "Tse, Tse, Tse, nicht weinen."

Ich hörte zwar keine Antwort, wohl aber Schritte die auf mich zu kamen. Gut, dann würde ich mich eben durch das Gebäude prügeln, bis ich herausgefunden hatte wo Baz war. Wenn er denn noch lebte. Mein Herz zog sich zusammen. Wie sehr ich doch hoffte, dass er noch lebte. Ich dachte kurz nach, was schneller ginge, mich einzeln mit den Leuten herumschlagen, die sich da auf mich zubewegten, oder sie mit Hilfe einer meiner kleinen Freunde fertig machen. Letzteres erschien mir am Sinnvollsten. Zwar war meine Fähigkeit innerhalb eines Gebäudes schwieriger Einzusetzen, doch es war nicht unmöglich. Ich steckte meinen degen weg und als gerade die ersten wachen um die Ecke kamen zog ich den Löwen aus dem Himmel und in den Gang zu mir. Er brüllte, was zwar keinen Ton ergab, aber dennoch den Boden erzittern ließ, dann sprang er mit ausgefahrenen Klauen auf unsere Gegner zu und begann sie zu zerreißen. Ich hielt mich im Hintergrund, damit ich nicht von etwaigen Geschossen erwischt wurde und ging langsam vorwärts, die Hände immer konzentriert in Haltung, um das etwas blasse Sternbild nicht zu zerstören. Nachdem nun die erste Partie an Wachen erledigt war, ob noch eine folgen würde wusste ich nicht, kam mir eine ganz wunderbare Idee. Ich ließ den Löwen in Sternenstaub zerbersten und rief stattdessen den großen Hund herab, der stolz vor mir stand, die Rute leicht wedelnd. Ich sah ihn an, er drehte sich um und lief los, ich ihm hinterher. Sein Auftrag: Finde Baz. Da das Sternbild so zügig lief musste Baz hier sein und wenn ich Glück hatte, so fanden wir ihn auch noch lebend. Ich sagte nichts mehr, nun hatte ich eine Spur, mich anzukündigen war nicht nötig. Weitere Hinweise brauchte ich auch nicht, denn der Hund hielt vor einer Zelle und schlug an. Wieder ohne Ton, aber ich erkannte ja die Bewegungen der Schnauze. Guter Junge. Ohne lange zu zögern trat ich die Tür auf und trat ein. Der Hudn stellte sich neben mich und seine Brust bebte in lautlosem Knurren, denn er spiegelte meine Gefühle wieder und ich war nun noch wütender als zuvor schon. Baz war abgekettet, gezwungen in eine kniende Position und irgend so ein Kerl drückte ihm Hals und Mund zu. Lass. Ihn. Los.

Zwar konnte ich erstaunlich lange die Luft anhalten, aber irgendwann war auch bei mir die Luft vorbei und ich begann verzweifelt nach Luft zu schnappen, während der Mann mir aber jeglichen Sauerstoff mit seiner Hand an meiner Kehle verbot. Dennoch erzitterte plötzlich der Boden und ich hoffte einfach nur, dass mich Seth bald finden würde und nicht wegen mir ihm auch noch etwas passieren würde. Zwar hatte ich ihm meine absolute Loyalität versprochen, solange ich ihn begleitete, aber sein Leben für mich zu riskieren, war die Sache allemal nicht wert, schließlich war ich nur ein einfacher Söldner. Meine Sicht wurde immer eingeschränkter, das Bild immer dunkler und dunkler und ich erwischte mich dabei, wie ich aufschluchzte, auch wenn man es durch die Hand auf meinem Mund nicht hören konnte, halb vor unendlicher Wut und halb vor Sehnsucht nach Sicherheit. Plötzlich hörte ich ein lautes Geräusch und die Hände, die mich zuvor angefasst hatten, verschwanden. Diese Stimme hätte ich sofort erkannt. Hilflos blinzelte ich, während ich wieder besser sehen konnte und sah zu Seth auf, frustriert darüber, dass er mich retten musste und ihm nicht helfen zu können, aber gleichzeitig einfach nur unendlich dankbar und erleichtert. Ich hatte mir wohl noch nie so sehr einen Mann herbeigewünscht wie Seth in diesem Moment und das in einem ganz anderen Kontext, als es normalerweise war. "Du wirst verlieren.", sagte der Mann spöttisch und zog seinen Säbel, bevor er Seth einfach direkt angriff. Er hatte vermutlich nicht mit einem Angriff gerechnet und ich hoffte einfach nur, dass es bald vorbei war, während ich hilflos zusehen musste.

Ich ließ den großen Hund in Sternenstaub zerstfallen und zog meinen Degen, um den ersten Block abzuhalten. Ich hatte nicht vor zu verlieren, doch ich fand eine Antwort gerade unpassend und unnötig. Ich konnte vielleicht nicht viel, aber das Kämpfen hatte ich von Kindesbeinen an trainiert. Die Hauptsache war jetzt, dass Baz nicht weiter erstickt wurde und, dass ich die Chance hatte diesen Typen hier umzulegen. Blieb zu hoffen, dass mir das auch gelang, aber ich war sehr zuversichtlich was das anging. Ich stieß den Sebel zurück und bewegte mich in eleganten Schritten um den Mann herum, die Klinge erhoben. Natürlich war Kunstfechten in einer solchen Situation nicht hilfreich, doch die Beinarbeit davon konnte man gut zum raschen ausweichen und verwirren benutzen. Es entstand ein reger Schlagabtausch, bei dem ich aber doch immer die Oberhand behielt und bis auf ein paar wenige Schläge alle abblocken konnte. Ein Schnitt am Oberarm und einer an der Flanke waren die Folge, doch nichts was mich umbringen würde. Letztlich sah ich eine Öffnung und nutzte sie ohne zu zögern um dem Leben des Mannes mit meinem degen ein jähes Ende zu bereiten. Der Mann fiel nach hinten über in den Staub und ich steckte die rot glänzende Klinge in ihre Scheide, ehe ich rasch nach dem Mechanismus suchte, der Baz so nach oben gezogen hielt. Ich löste ihn und kniete mich vor dem Rothaarigen hin. Bist du okay? Ich fand, dass das zwar eigentlich eine dumme Frage war, aber etwas anderes fiel mir gerade auch nicht ein.

Teilweise schloss ich meine Augen, während die beiden kämpften, einerseits weil ich müde war und andererseits weil ich mir wenn ich nur zusah einfach so furchtbar nutzlos vorkam. Allerdings gewann Seth, nicht dass ich etwas anderes erwartet hätte, und bereitete meinem Peiniger sein frühes Ende. Erst, als er schon vor mir kniete und mich ansprach, realisierte ich wirklich, was passiert war. Meine Arme waren nach unten gesackt, nicht mehr so schmerzhaft nach oben gezogen und meine Hände zitterten zu sehr, als dass ich selbst die Ketten entfernen hätte können. Ich schüttelte auf seine Frage hin nur stumm meinen Kopf und ließ diesen dann einfach nur schwach gegen Seths starke Schulter fallen. Erst jetzt bemerkte ich, wie sehr mein ganzer Körper zitterte.

Ohne viel darüber nachzudenken legte ich einen Arm um Baz' Schultern, als dieser sich an mich lehnte. Schon gut, wir sind gleich hier raus. Ich besah mir die Ketten an Baz' Handgelenken und war recht zufrieden, als ich bemerkte, dass hier keine Schlüssel nötig waren, sondern nur zwei Hände. Nun gut, die hatte ich gerade nicht zur Verfügung, aber immerhin musste ich nicht wieder losrennen um irgendwelche dummen Schlüssel zu holen. Ich muss nur noch deine Handgelenke befreien, okay? Ich hatte Baz noch nie so gesehen, doch bisher war er in meiner Anwesenheit auch noch nie in eine solche Situation geraten, ich hatte also keine Möglichkeit zum Vergleichen.

Mein Stolz hatte durchaus gesunde Ausmaße, aber für mich war das hier einfach viel zu viel, Ehre und all den Mist mal beiseite. Ob ich nun permanente Schäden davontragen würde oder nicht, würde sich schon noch zeigen, während es mir momentan mehr als genug war, dass es einfach nur vorbei war. Mehr wollte ich gar nicht. Ich spürte Seths Arm um meine Schultern und wollte mich gerade hier einfach nur verstecken, auch wenn er natürlich recht hatte, wir sollten und mussten hier so schnell wie möglich raus. Ich nickte also schwach und hob meine Stirn wieder von seiner Schulter, damit ich ihm meine zitternden Hände hinhalten konnte.

Baz reagierte zum Glück auf das was ich sagte und löste sich von mir. Ich legte rasch Hand an seine Fesseln und öffnete sie, nachdem ich den Mechanismus verstanden hatte. ich überlegte ob ich Baz fragen sollte ob er laufen konnte, doch entschied mich dann dagegen, denn die Antwort war offensichtlich nein. Ich bringe dich hier jetzt raus. Ohne noch viel weiter zu reden fasste ich baz unter den Knien und am Rücken und hob ihn im Brautstil hoch. er war relativ schwer, immerhin war der andere Mann alles andere als unmuskulös, doch ich hatte viel Kraft zur Verfügung und es war ja nicht ewig weit. Ich hoffte nur uns würde auf dem weg nach draußen niemand begegnen, den ich bekämpfen musste, als ich mich schon in Bewegung setzte, aus de Zelle raus und durch die Gänge, dem Ausgang zu.

Auch eine selbstverliebte Persönlichkeit wie ich selbst, musste zugeben, dass ich wirklich noch nie in einer solchen Situation gewesen war, aber gleichzeitig auch eine Dankbarkeit verspürte, die ich schon lange nicht mehr gehabt hatte. Ich ließ mich selten festbinden und nur in wenigen Fällen gab ich jemandem meine volle Loyalität, aber gerade eben spürte ich die Sicherheit und vor allem das volle Vertrauen, das ich in Seth eigentlich hatte. Dieser hob mich auch noch hoch und, was sollte ich sagen, ich war auch nur ein Mann. Jeder in so einer Situation wäre von einigen unterschiedlichen Gefühlen überrannt und wenn ich nicht all meine Energie darauf konzentrierte, es zumindest ein wenig einfacher für ihn zu machen mich zu tragen, hätte ich bestimmt einige anderen Gedanken in meinem Kopf gehabt. Wie zum Beispiel, dass es wirklich extrem sexy war, dass er das überhaupt konnte, denn wenn, dann trug ich eher andere, als dass ich getragen wurde, oder, dass ich gerade wie eine Braut in seinen Armen lag, die man über die Schwelle trug, aber das waren nun wirklich Gedanken für einen anderen Moment, denn zum Glück ging es mir dafür gerade einfach viel zu beschissen. Ansonsten wäre es wohl ziemlich schwer gewesen, mich von diesen Tatsachen abzulenken.

Wir hatten Glück, es kam uns niemand mehr entgegen. Entweder hatte ich alle erwischt, oder die anderen hatten nicht mitbekommen, dass es Probleme gab. Ich stieß die Tür nach draußen mit dem Fuß auf und trat mit Baz in den Sonnenschein hinaus. Ich schlug ohne lange zu hadern den Weg zum Hafen ein, um unser Schiff zu erreichen, damit Baz sich ausruhen konnte, denn ich konnte mir vorstellen, dass er ziemlich fertig war. Seinen Auftraggeber würde ich mir dann vermutlich auch noch vorknöpfen, so etwas wie der konnte hier doch nicht einfach herum laufen.

Kaum strahlte die Sonne wieder in mein Gesicht, ächzte ich etwas und vergrub mein Gesicht in der breiten Brust von Seth. Es war grell und meine Augen waren geschunden, meine Sicht noch immer nicht vollkommen fokussiert, außerdem wollte ich gerade einfach nur so tun, als wäre es vollkommen normal, wie eine Jungfrau in Nöten von seinem Reisegefährten gerettet und getragen zu werden. Außerdem, wann hatte ich denn sonst schon einmal die Gelegenheit dazu?

Schon gut, wir sind gleich da. Ich ließ nun zu, dass meine Stimme den selben Klang annahm, den bisher nur Juliette zu hören bekommen hatte. Sanft, als würde ich mit einem verschreckten Tier reden, doch irgendwie ähnelte Baz gerade einem solchen auch wirklich. Dann kannst du dich ausruhen.

So gut es ging spähte ich vorsichtig zu Seth nach oben, mein Gesicht noch immer so weit wie möglich in seiner Brust vergraben, etwas überrascht darüber, was er sagte. Oder viel mehr wie er es sagte, da ich ihn so mit mir und schon gar nicht mit anderen, fremden Leuten noch nie hatte reden hören. Ich brauchte ein wenig, um meine Stimme zu fangen und mein Wort zu erheben, aber selbst als ich es dann doch schaffte, spürte ich, wie schwach und leise sie klang und wie sehr mich das frustrierte, auch wenn ich wusste, dass man eigentlich nie immer stark sein konnte. Danke., murmelte ich also mit meiner rauen Stimme, die sich anhörte, als hätte ich seit Tagen nicht gesprochen, und auch, wenn ich ehrlich war, sich mindestens so in meiner Kehle anfühlte. Es war beinahe so, als könnte ich an den entstandenen Druckstellen noch immer eine Hand fühlen.

Ich spürte wie Baz sich bewegte und sah zu ihm runter, nur um mit meinem Blick seinen zu finden. ja, Baz war gerde definitiv wie ein Tierchen. Ein sanftes Lächeln zeigte sich auf meinen Lippen, das hatte bisher auch nur Juliette gesehen, aber ich konnte gerade nicht anders. Baz war zu einen merkwürdig niedlich und tat mir zum anderen wirklich sehr leid. er hatte heute kräftig etwas abbekommen und das wo er doch normalerweise so gut in Form war. Kein Ding.

Wie in einer Trance, konnte ich meine Augen nicht von Seth lösen, der meinen Blick regelrecht mit dem seinen eingefangen hatte, besonders nicht, als er zu lächeln begann. Ich hoffte einfach, dass ich genug zugerichtet worden war, damit man es nicht sehen konnte, denn ich musste mich wirklich nicht im Spiegel sehen, um zu wissen, dass ich gerade rot wurde. Dieser Kerl wusste doch wirklich nicht, was er einem da antat, indem er so verdammt sanft lächelte. Das war ja noch schlimmer, als wäre man wieder eine unerfahrene Jungfrau, die keine Ahnung von Flirten und nichts hatte. Ich schluckte also einmal tief und räusperte mich ganz unauffällig, während ich einfach alles versuchte, um mich nicht zu sehr in diesen Augen und diesem Lächeln zu verlieren. Das war doch absolut peinlich.