Ich zog eine Augenbraue hoch, doch nickte dann, denn ich hätte Seth auch ohne diese Aussage vertraut, schließlich würde er Yoko bestimmt nicht irgendwem anvertrauen, bevor ich ihm einfach in seine Kabine folgte und mich dort an die Wand neben der Tür lehnte, meine Finger trommelten sanft auf dem Holz meiner Drehleier, welche inzwischen wieder sicher an meinem Rücken verstaut war.

Ich ignorierte Baz vorerst einfach und setzte mich wieder an meinen Schreibtisch, wo ich mich erneut daran machte die von meinem Kommandanten verpassten Zettel auszufüllen und zu sortieren. Früher oder später würde Baz etwas sagen, das tat er meistens, oder er würde sich etwas anderes zu tun suchen.

Einen Moment wartete ich ab, nur um sicherzugehen, ob mich Seth gerade vollkommen ignorierte, bevor ich einen Fuß ebenfalls auf der Wand abstützte und dann eine Münze herausnahm, die ich durch die Luft schnipste. Immer wieder verschwand sie für ein paar kleine Sekunden, das war ein Trick, den ich damals als ich mir mein Geld als Straßenbetrüger verdient hatte, angeeignet hatte. Also, wie kann man dir helfen?, fragte ich, während mein Blick die Münze nie verließ, Wovor muss man dich ablenken? Ich kannte Seth vermutlich schon besser und länger als irgendjemand auf diesem Schiff, es sei denn natürlich Juliette hatte sich an Bord geschlichen, was ich allerdings bezweifelte. Er war ein bisschen wie eine Katze, manchmal brauchte er Aufmerksamkeit, manchmal musste er einfach Leute herumkommandieren und manchmal musste er einfach alleine sein. Das genau herauszufinden war jetzt nicht unbedingt einfach, aber ich hatte keine Zweifel wir würden uns zu beschäftigen wissen.

Ich hob nicht den Blick, sondern sortierte weiterhin Zettel in den Ordner vor mir. Wie kommst du da drauf? Mistrauen war in meiner Stimme zu hören. Baz kannte mich ziemlich gut, zu gut sogar, es war schon richtig nervig. Natürlich war ihm da auch aufgefallen, dass meine Stimmung mies war, deshalb fragte er ja auch nach, doch ich wusste nicht was ich dazu sonst sagen sollte.

Ach, du weißt schon, von mir kann man nichts so einfach verstecken., meinte ich lässig, aber Seth und ich kannten beide die richtige Antwort, denn dazu hätte er auch gar nicht fragen müssen, ich kannte ihn und da war es nun einmal gleichgültig, ob er gerade in einem Tief war, oder auf einem persönlichen Hoch. Ich fing die Münze in der Luft und ließ sie ein letztes Mal wieder verschwinden, während ich meinen Blick nun doch auf ihn wandte. Hat es mit Yoko zu tun?

Ich seufzte genervt und legte den Kopf in den Nacken. Ja, hat es. Ich legte den Ordner weg und drehte mich auf meinem Stuhl zu Baz herum. Du solltest sie nehmen, Viola ist sicher begeistert von einer kleinen Schwester.

Einen Moment erstarrte ich, bevor ich meine Augenbraue hochzog und dann den Kopf schüttelte, halb fassungslos und halb bestimmend. Seth hatte die Kleine gerettet und bisher auch den meisten Kontakt zu ihr gehabt, wenn man von dem Baden einmal absah, aber ich verstand auch nicht ganz, warum er glaubte, dass er das einfach so entscheiden konnte. Davon abgesehen, dass Yoko da wohl noch etwas zu sagen hat... Milene passt auf Viola auf, während ich nicht da bin und so sehr sie mich liebt, ich bezweifle, dass sie sehr begeistert wäre, noch ein Kind aufgedrückt zu bekommen. Ich liebe sie, keine Frage, aber ich glaube nicht, dass mein Leben als Kopfgeldjäger, Musiker und-, ich ließ den Rest einmal großzügig weg, denn um meine Berufsvielfalt ging es jetzt nicht, -ein besonders geeignetes Umfeld für sie sind. Du hast ein Schiff, eine Familie, ein Zuhause, du hast sie gerettet, warum möchtest du, dass ich sie nehme?

Ich rieb mir die Nasenwurzel, während Baz redete, es war ja nicht so als wäre jemand der "nicht so begeistert wäre" wirklich ein so großes Problem. Wir wind Piraten, nur weil wir eins der größten Schiffe auf der Grandline haben heißt das nicht, dass es nicht gefährlich ist mit uns zu reisen. Und ich habe genauso Verpflichtungen und Aufgaben wie du, ich habe keine Zeit Yoko aufzuziehen, abgesehen davon, dass sie dich offensichtlich lieber mag als mich, du kannst besser mit Kindern, du kannst besser mit allen Leuten. Im Gegensatz zu Baz war ich sehr wohl der Meinung, dass ein Erwachsener, zum Wohle des Kindes, auch über dessen Kopf hinweg entscheiden konnte. Juliette wäre auch am Liebesten mit mir Pirat geworden, aber man konnte Kindern nicht immer alles erlauben, vor allem nicht, wenn man es besser wusste.

Ihr habt einen Koch, einen Arzt, ich habe Glück, wenn ich ein Schiff habe. Ich war nicht genervt, ganz im Gegenteil, ein wenig gekränkt vielleicht, dass unser bisher doch recht kurzes Abenteuer so eine Wendung genommen hatte. Doch ich konnte nicht nachvollziehen, wieso Seth glaubte, dass ausgerechnet ich besser für das Aufziehen eines kleinen Kindes geeignet war, gerade bei seiner Reaktion, als er erfahren hatte, dass ich vor fünf Jahren ein zehnjähriges Mädchen adoptiert hatte. Wie kommst du darauf, warum sollte sie mich lieber mögen?, fragte ich nach, doch es war weniger, um direkt den Grund zu erfahren, sondern Seth vorzuhalten, wie seltsam diese Äußerung klang. Sie war ein Kind, ein Kind das vor einem schrecklichen Leben gerettet worden war und ich bezweifelte, dass es in ihrem Kopf gerade jemanden gab, den sie lieber mochte. Es gab für sie vermutlich nur ihre ehemaligen Peiniger und diejenige, die jetzt nett zu ihr gewesen war. Vorrangig vermutlich Seth und mich. Ich stieß mich von der Wand ab, meine Haltung gerade, während ich den Kopf schüttelte. Entschuldige mich, Seth, aber die Antwort ist nein., sagte ich bestimmt, denn so gerne ich Seth mit anderen Leuten half, so würde ich es trotzdem nicht zulassen, das eskalieren zu lassen, Natürlich würde ich dir helfen, keine Fragen gestellt, aber ich lasse nicht zu, dass du die Verantwortung einfach auf mich abschiebst. Ich seufzte, bevor ich meine Arme verschränkte, denn das Thema war mir etwas unangenehm, aber es war nicht so, als könnte ich nicht theoretisch ein anderes Zuhause für die Kleine finden, Verbindungen hatte ich schließlich genug. Schau, wenn du es wirklich ernst meinst, sag einfach das Wort und ich verpisse mich. Ich werde ihr eine gute Unterkunft finden und dann-, ich unterbrach mich und schüttelte den Kopf, es ging hier jetzt nicht um mich, sondern um Yoko, -sie ist jung genug, dass sie uns wahrscheinlich in ein paar Jahren vergessen wird.

Natürlich hatte Baz recht, aber es war einfacher genervt und wütend zu sein als zuzugeben, dass ich nicht wusste was ich tun sollte, dass ich unsicher war, dass mir die ganze Sache mit Yoko Angst machte, weil sie so anders als Juliette war, die in ihrem Leben nie etwas traumatisches erlebt hatte, die ich seit ihrer Geburt gekannt hatte. Ich konnte mit Kindern, aber mein eigener Kopf kam mir wie bei allen anderen Dingen auch in den Weg. Verdammt Baz, ich weiß es doch auch nicht! Ich haute mit der Faust auf den Tisch, der unter ihr erbebte. Was sollte auch jemand wie ich mit einem Kind anfangen? Am Ende haust du doch sowieso wieder ab und lässt mich mit ihr alleine!

Seth donnerte mit seiner Faust frontal auf den Tisch, doch ich behielt meine Stellung bei, während er wenigstens zugab, dass er es selber auch nicht besser wusste. Mein Blick wurde etwas weicher, während ich versuchte ihn etwas zu beruhigen, ob nun erfolgreich oder nicht. Ich wollte nicht, dass er solchen Stress über etwas hatte, dass er sich nicht ausgesucht, sondern einfach nur ein Mädchen gerettet, hatte. Trotzdem, es schien zumindest nicht so zu sein, als würde er meinen Vorschlag ihr eine neue Unterkunft zu suchen wirklich annehmen wollen. Wieder? Wann habe ich dich je alleine gelassen?, fragte ich nach und schüttelte den Kopf, Schau, ich verstehe, dass du gerade wütend bist, aber ich weiß auch, dass du- dass wir das gemeinsam alles schaffen können. Ich bleibe hier, solange du willst, versprochen.

So hab ich das nicht gemein! Fast hilflos wedelte ich mit den Händen in der Luft herum, ehe ich die Arme einfach verschränkte und ich mich zurück in meinen Stuhl fallen ließ. Wie kannst du dir da so sicher sein? Wie sollte man Yoki erklären, dass einer ihrer... Papas abhaut? Ich weiß wie wichtig dir deine Freiheit und dein Job sind, du wirst nicht ewig hierbleiben, egal was du sagst.

Normalerweise wäre ich begeistert, dass Seth ihn selber und mich gerade als "Papas" bezeichnet hatte und hätte einen dummen Witz gemacht, für den ich wahrscheinlich eine Art Bestrafung kassiert hätte, absolut zurecht und deshalb hätte ich sie auch ohne Probleme angenommen, doch mein Blick wurde kurz etwas weich. Sein Glück, dass wir hier gerade alleine waren, denn ich würde das sonst wohl niemandem sofort unter die Nase reiben. Seth, ich plane auch nicht, dir das mit Worten zu beweisen, sondern mit Taten., sagte ich also, bestimmt aber auch entspannter als zuvor, selbstsicher wie eh und je, Ich bleibe, und Schluss. Vielleicht nicht unbedingt für Yoko, vielleicht irgendwann für Yoko, aber immer für dich.

Etwas Hitze stieg mir in die Wangen, als Baz hier ein paar herzbewegende Worte sagte, die er auch noch ernst zu meinen schien. Ich räusperte mich und wandte das Gesicht ab um die leichte Röte auf meinen hohen Wangenknochen zu verbergen. Hm, wir werden sehen, ob du Wort hältst. Wenn nicht finde ich dich und versenke dich höchstpersönlich im Meer.

Zum Glück bin ich ein guter Schwimmer, Mon Chéri., witzelte ich und lehnte mich dann wieder gegen die Wand, bevor ich entspannt die Münze herausfischte und das Thema wieder fallen ließ, genauso wie es Seth vermutlich sehr recht war. Ich musste meine Worte nicht wiederholen, ich musste sie nur einhalten, auch wenn das meine Rückkehr zu Viola sich so wohl zumindest ein Stück verzögern würde, was mich schmerzte, aber ich war mir sicher wir würden eine Gelegenheit finden sie besuchen zu können und, so schwer das vielleicht war zu akzeptieren, sie war doch schon ziemlich selbstständig.